3 Fragen an: Dr. Katharina Arnegger
1. Wie muss man sich das Vorgehen in einer solchen Forschungsarbeit vorstellen? Blättern Sie noch viel in physischen Büchern - oder sind da viele Dokumente/ Urkunden bereits digital aufbereitet?
Bei einer historischen Forschungsarbeit gibt es im Prinzip drei Zugangsmöglichkeiten. Man sucht Online-Publikationen zu einem Thema. Wenn man auf diese Weise für das gewählte Thema nicht genügend Material findet, durchsucht man, was online zumeist möglich ist, verschiedene Bibliothekskataloge. Darin findet man einerseits Bücher, die bereits digitalisiert wurden und andererseits Bücher, die man vor Ort in der jeweiligen Bibliothek lesen kann. Wenn in der Literatur ein Thema jedoch nicht ausgiebig genug behandelt wird, sollte man im dritten Schritt ein Archiv aufsuchen, in welchem weitere Hinweise zum eigenen Thema zu vermuten sind. Archive verfügen über Findbücher (Behelfe), in denen man zuerst nach weiteren Informationen zu einem gewünschten Thema sucht. Sind in dem betreffenden Archiv die Bestände gründlich erschlossen, weiß man schnell, ob für das eigene Thema Dokumente vorhanden sind. Ist ein Archiv kaum geordnet und wenig erschlossen, muss man mit viel Geduld diejenigen Bestände sichten, in denen man Dokumente zum eigenen Thema vermutet. Für das Lesen der Dokumente im deutschsprachigen Raum ist es unumgänglich, kursive Schriften zumindest in Grundzügen zu beherrschen, um die jeweiligen Akten lesen zu können.
2. Sie forschen nun schon seit einigen Jahren zu Themen, die das Fürstentum Liechtenstein betreffen. Gibt es einen spezifischen Teil der Geschichte des Fürstentums, den Sie besonders spannend finden?
Während meiner Beschäftigung mit der liechtensteinischen Landesgeschichte habe ich Dokumente aus dem Österreichischen Staatsarchiv (ÖStA) und aus dem Hausarchiv der Fürsten von Liechtenstein (HAL) bearbeitet. Mein Forschungszeitraum erstreckt sich von den ältesten Dokumenten zu Vaduz und Schellenberg bis zur Erhebung der beiden Territorien in ein Fürstentum im Jahr 1719. Über die Herren von Brandis und die Grafen von Sulz ist wenig Material erhalten geblieben, während es über die Grafen von Hohenems eine Fülle an Material im ÖStA gibt. Im HAL wiederum liegt der Schwerpunkt inhaltlich auf dem Zeitraum ab dem Erwerb der Herrschaft Schellenberg im Jahr 1699, und hier wiederum im Verwaltungsbereich von Schellenberg und ab 1712 auch der Grafschaft Vaduz. Sehr spannend finde ich die vielen sozialen Aspekte in den Berichten der Landvögte. Da die Personen in diesen Berichten zumeist namentlich genannt werden, kann man ganze Familienstränge und deren persönliche Lebensgeschichten nachvollziehen. Dabei dreht es sich um alle Themen des täglichen Lebens, wie Eheschließungen, Geburten, Streitigkeiten, Konflikte mit dem jeweiligen Landesherrn. Dazu sind auch die Akten im ÖStA betreffend die Familie Hohenems eine unglaublich interessante Quelle über das alltägliche Leben der Menschen im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert.
3. Wenn Sie an die Geschichte Liechtensteins denken, bei welchem historischen Ereignis der letzten 300 Jahre wären Sie gerne mit dabei gewesen?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, denn im jeweiligen Moment waren sich die Personen zumeist nicht bewusst, dass es sich um ein historisches Ereignis handelte. Bei einem Herrschaftswechsel waren die Einwohner von Vaduz und Schellenberg wahrscheinlich eher misstrauisch, was der neue Landesherr von ihnen fordern würde. Nach der Erhebung von Liechtenstein im Jahr 1719 hat sich für die Bewohner nicht wirklich etwas verändert. Im Gegenteil gab es doch einige, die von den Hohenems herrschaftliche Güter erworben hatten, die sie unter Fürst Anton Florian von Liechtenstein wieder hergeben mussten. Froh waren 1938 sicher die meisten, als Fürst Franz Joseph nach Liechtenstein übersiedelte und so dem Land ein größeres Gefühl von Sicherheit vermittelte. Sehr glücklich waren dann auch alle, als der Krieg zu Ende war und Liechtenstein die Kriegsjahre im Vergleich zu den anderen Ländern in Europa, außer der Schweiz, so unbeschadet überstanden hatte.
Wirklich gut geht es den Einwohnern Liechtensteins heute. Daher wäre eine Zeitreise sicherlich eine Enttäuschung.